Miss Sharp macht Urlaub: Kriminalroman (Miss Sharp ermittelt 2) (German Edition) by Swann Leonie

Autor:Swann, Leonie [Swann, Leonie]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Goldmann Verlag
veröffentlicht: 2022-07-25T00:00:00+00:00

Ja, so konnte es stimmen, auch wenn die Tatzeiten für die Leserin und den Mann hinter den Kulissen noch fraglich waren.

Agnes war gestern gegen achtzehn Uhr in der Lounge gewesen und hatte das Drama an den Klippen beobachtet. Zu dieser Zeit war der Fitnessraum bereits geschlossen gewesen, also musste Trudy die nasse Frau vorher beobachtet haben. Das brachte Agnes ein wenig aus dem Konzept. Irgendwie war sie immer davon ausgegangen, dass alles mit der gelben Kapuze angefangen hatte. Es war der diskreteste der hier begangenen Morde gewesen. Keine Gewalt, kein Drama, nur ein kleiner Schubser in die richtige Richtung. Ein Einstiegsmord für Anfänger, hätte man meinen können. Aber so, wie es jetzt aussah, war der Mörder, als sie ihn von der Lounge aus beobachtet hatte, schon voll in Fahrt gewesen. Und das bedeutete …

Bevor Agnes überlegen konnte, was genau es bedeutete, wurde das Dessert serviert. Kein Eis – zum Glück! Frau Meyer-Brinks hatte ihr die Lust auf Gefrorenes gründlich verleidet. Stattdessen gab es einen bunten Fruchtsalat auf buttrigem, zuckrig-knusprigem Blätterteigboden. Köstlich! Agnes ließ schnell die Serviette in ihrer Rocktasche verschwinden, identifizierte erfolgreich die Dessertgabel und vertagte das Nachdenken auf später. Ihre neuesten detektivischen Erfolge hatten bei ihr einen enormen Appetit ausgelöst, so groß, dass es eine Weile dauerte, bis sie merkte, dass ihre Tischgenossen mit dem Essen aufgehört hatten und interessiert guckten.

Jemand tippte an sein Glas, und die Stimmen im Speisesaal verstummten eine nach der anderen.

Eine adrette Person war in die Mitte des Raums getreten, lächelte und räusperte sich. Zu ihren Füßen saß mit einem hochnäsigen Hundelächeln der Corgi.

»Liebe Gäste. Ich weiß, dass dem einen oder anderen heute hier im Hotel Unregelmäßigkeiten aufgefallen sind, und dafür möchte sich die Hotelleitung bei Ihnen allen vielmals entschuldigen. Ich bin gekommen, um Sie auf den aktuellen Stand zu bringen, Ihnen zu erklären, wo die Probleme liegen und was wir unternehmen, damit alles so schnell wie möglich wieder seinen geregelten Gang gehen kann!«

Agnes kniff die Augen zusammen. War das wirklich dieselbe Helen, die noch vor Kurzem mit fleckigem Gesicht, hektischen Bewegungen und sich überschlagender Stimme neben ihr im Gefrierraum gestanden und das Ableben von Frau Meyer-Brinks beklagt hatte?

Nun schien sie ruhig und gefasst. Die Haare waren geglättet, die Stimme fest, die Lippen rot und die Augen trocken. Der Teint wirkte wieder ebenmäßig. Agnes vermutete, dass hier Kosmetik im Spiel war, aber nicht nur.

Es war noch etwas geschehen. Jemand – vermutlich sie, Agnes, mit ihren fadenscheinigen Versprechungen von detektivischer Kompetenz – hatte bei der Managerin einen erstaunlichen Stimmungsumschwung bewirkt. Entweder das – oder sie war einfach eine ganz hervorragende Schauspielerin!

Helen lächelte entschuldigend. »Ihnen wird nicht entgangen sein, dass wir momentan kein WLAN und kein Telefon haben. Die Telefonleitung ist gerissen, und ich fürchte, es wird ein Weilchen dauern, bis wir die Verbindung wiederhergestellt haben. Erschwert wird die Sache dadurch, dass die Küstenstraße nach dem gestrigen Sturm leider vorübergehend unpassierbar ist.«

Die Leute murmelten unruhig. Es war klar, dass das Fehlen der Straße und des WLAN s nicht gut ankam, doch Helen ließ sich nicht aus dem Konzept bringen.

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